Was ich schon immer über Bretleben, Ortschaft der Stadt an der Schmücke, wissen wollte.
Zur Geschichte
Die Gemarkung Bretleben wurde seit Beginn der Jungsteinzeit immer wieder, insbesondere am Rand der Unstrutniederung, besiedelt. Im Vorfeld des Baus der Autobahn A 71 konnten 2007, am östlichen Rand der Gemarkung, Siedlungsreste und Bestattungen aus der Zeit zwischen dem 6. Jahrtausend v. Chr. und dem 3. Jahrhundert n. Chr. untersucht werden. Der 786 als „Bretalaho“ (An der breiten Lache liegend) im Hersfelder Güterverzeichnis genannte Ort, hat zwei bis heute erkennbare Siedlungskerne, das Oberdorf mit der Kapelle St. Cyriakus und das Unterdorf mit der Kirche St-Johannis. Beide Ortsteile befanden sich zunächst im Besitz der Grafen von Beichlingen, welche 1227 das Oberdorf und die Rechte über die Kapelle an das Benediktinerkloster Oldisleben verschenkten, in dessen Besitz es bis zur Auflösung des Klosters infolge der Reformation blieb. Danach gelangte es zum Herzogtum Sachsen und wurde als Lehen vergeben. Erst 1680 wurde es mit dem Unterdorf vereinigt und gehörte fortan zum Amt Heldrungen. Das etwas größere Unterdorf wurde 1336 vom Magdeburger Erzbischof als Lehen an die Herren von Heldrungen, das Patronat über die Johanniskirche 1304 der Lazariten-Kommende in Braunsroda übergeben. Seitdem teilte Bretleben die Geschicke der Herrschaft Heldrungen, die 1623 an Kursachsen kam. Das Amt Heldrungen mit Bretleben wurde 1816 preußisch. Nach 1945 gehörte Bretleben zum Land Thüringen, 1952 kam es zum Kreis Artern, der bis 1990 Teil des Bezirkes Halle und ab 1990 thüringisch war. Am 01.01.2019 schloss sich die Gemeinde Bretleben mit der Stadt Heldrungen und den Gemeinden Gorsleben, Oldisleben, Hemleben, Hauteroda zur Landgemeinde "An der Schmücke" zusammen. Die Kirche St. Johannis war Pfarrkirche, die Kapelle St. Cyriakus Filiale vom Kloster Oldisleben. Die Reformation wurde 1542 im Ort durchgeführt. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war die Cyriakuskapelle, in der sich das Erbbegräbnis der Rittergutfamilie von Trebra befand, in Nutzung. Sie wurde dann allerdings, wie wohl schon im 18. Jahrhundert der sie umgebende Kirchhof aufgegeben, zunächst als Wirtschaftsgebäude nachgenutzt und 1892 abgebrochen. Der Friedhof des Unter- und später des gesamten Dorfes befand sich auf dem Kirchhof der Kirche St. Johannis, wurde 1852 an den Südrand des Unterdorfes verlegt und 1890 erweitert. Eine Schule ist seit 1661 nachweisbar. Der Neubau von 1910 gegenüber dem Pfarrhaus steht an gleicher Stelle wie seine Vorgänger, die mehrmals abbrannten. Nach 1945 wurde auch das Gutshaus als Schule genutzt, 1972 aber der Schulunterricht in die neu errichtete Schule von Reinsdorf verlegt. Das schriftsässige Rittergut, bis 1680 von der Familie von Bieberstein geführt, gelangte danach als Lehen zu denen von Trebra. Diese Adelsfamilie war seit 1326 in der Gegend auf mehreren Gütern ansässig. Überregionale Bedeutung erlangte Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra (1740 - 1819), der seit 1795 in Bretleben ansässig war. Er wurde 1801 zum sächsischen Oberberghauptmann ernannt und übernahm die Leitung des gesamten Bergbaus im Kurfürstentum Sachsen. Neben dieser Tätigkeit entwickelte er in Bretleben den Hanfanbau, betrieb u. a. eine Branntweinbrennerei und hatte großen Anteil am Ausbau der Unstrut zum Schifffahrtsweg. Während der Bodenreform, ab 1945, wurde die Gutswirtschaft zu der um 1900 etwa 171 ha gehörten, was rund einem Siebentel der Gemarkungsfläche entsprach, aufgelöst. Die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) wurden 1952 gegründet. Sie vereinigte sich 1959 mit der LPG Reinsdorf und ab 1979 bildeten diese, mit den LPGen weiterer Dörfer der Umgebung, eine Kooperative der Pflanzenproduktion. Eine Wassermühle ist bereits für 1423 urkundlich überliefert, 1618 werden zwei Mühlen genannt und 1778 wird speziell die Mühle an der Unstrut erwähnt. Diese große, direkt am Flusslauf situierte Mühlenanlage, bestimmt bis heute das ufernahe Dorfbild. Die Bezeichnung Mühlberg, für die etwa 0,5 km östlich des Dorfes gelegene Höhe, lässt auf eine ehemalige Windmühle schließen. Eine Brücke über die Unstrut wurde 1347, im Zusammenhang mit dem Bau der Salzstraße, errichtet. Sie befand sich wohl unterhalb, des mit dem ersten großen Unstrutausbaus im 18. Jahrhundert errichteten großen Wehres. Ab 1796 verkehrten die ersten Lastkähne bis Bretleben. Beim zweiten Ausbau des Flusses von 1857 bis 1865, wurden weitere Flächen melioriert, 1859 die große Kanalschleuse angelegt und der Hochwasserschutz durch den Bau des Flutkanals Bretleben - Memleben wesentlich verbessert. Ab 1857 verläuft der Helderbach durch einen gemauerten Tunnel von 365 m Länge unter dem Westteil Bretlebens und dem nach Reinsdorf führenden Mühlgraben hindurch. Sein Wasser wurde in den Flutgraben geführt und eingedeicht. lm Rahmen der Begradigung der Unstrut, baute man in den 1970er Jahren die Unstrutbrücke neu auf. Bretleben entwickelte sich seit dem Ende des 19 Jahrhunderts zu einem regionalen Eisenbahnknotenpunkt. Seit 1881 verlief die Bahnlinie Erfurt- Sangerhausen über Bretleben Der Bahnhof wurde 1894 errichtet. Die Unstrutbahn von Artern nach Naumburg wurde 1889 eröffnet, die Strecke Bretleben - Artern gleichzeitig zweigleisig ausgebaut. Die Linie Bretleben - Sondershausen bestand von 1894 bis 2006. Im Jahr 2007 wurde auch der verbliebene Abschnitt der Unstrutbahn von Artern nach Nebra stillgelegt. Bedingt durch den Unstrutausbau, die beträchtlichen Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft und die ab 1858 durchgeführte Separation, entwickelte sich Bretleben in der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts zu einem wohlhabenden Dorf. Der Gutshof, die drei im Ort bestehenden Schäfereien und die großen Bauernhöfe prägten das wirtschaftliche Leben des Dorfes. Außer in der Landwirtschaft, fanden die Bewohner auch in den umliegenden Kalischächten und den Industriebetrieben in Artern, Sömmerda und Sangerhausen Arbeit. Zudem entstanden, die günstige topographische Lage der Siedlung ausnutzend, kurz nach 1900 regional bedeutsame Versorgungsunternehmen im Ort. So erfolgte 1906 die Gründung des genossenschaftlichen Elektrizitätswerkes und der Überlandzentrale Bretleben. Das 1907 in Betrieb gegangene, mit Wasserkraft arbeitende Werk belieferte zunächst sieben, ab 1909 bereits 17 Orte mit elektrischer Energie. Die Gründung war eine private Initiative von Rittergutsbesitzern, Pächtern, Großbauern und dem Bretlebener Mühlenbesitzer Hugo Albert Liebe. Der Betrieb weitete seinen Wirkungskreis über die nähere Region aus und wurde 1918 mit „Landelektrizität Halle" zusammengeschlossen. Standort des Elektrizitätswerkes und der Überlandzentrale, war das Gelände der ehemaligen Getreidemühle an der Unstrut. Bis 1965 wurde dort durch zwei 250 PS starke Francis-Wasserturbinen und in der Mühle bis l970 durch eine Turbine Strom produziert. Danach fiel der Mühlgraben mit der Unstrutregulierung um 1970 trocken. Außer dem Elektrizitätswerk wurde bereits 1902 das Wasserwerk Bretleben zur Versorgung von Artern, Bretleben, Reinsdorf, Schönfeld und Voigtstedt in Betrieb genommen. Das Werk befand sich am Helderbach, südwestlich der Ortslage und die Pumpstation auf dem Weinberg in Artern. In Bretleben wurden 1818, 91 Häuser mit 532 Einwohnern und 1871, 131 Wohnhäuser mit 721 Bewohnern gezählt.1925 lebten in Bretleben 958 und 1995 nur noch 758 Einwohner. Heute hat Bretleben noch rund 550 Einwohner.
Siedlungsstruktur und bauliche Charakteristik
Bretleben ist ein großes, wenigstens bis an den Anfang des 20.Jahrhunderts deutlich von der Landwirtschaft dominiertes Dorf, das einen Unterhang in Auenrandlage einnimmt. Der von der Anpassung an das bewegte Gelände, einer wohl allmählich und nur in Teilbereichen planvollen, mehrere Kerne integrierenden und im letzten Jahrhundert stark extensiv erfolgten baulichen Entwicklung geprägte Grundriss zeigt weder eine übergeordnete Gesamtform, noch klare Einzelformen. Die bei genauerer Betrachtung erkennbaren Unterschiede zwischen dem unregelmäßiger strukturierten Ober- und dem regelhafter organisierten Unterdorf lassen jedoch eine Ansprache als Zusammengesetze Siedlung zu. Diese besteht im Wesentlichen aus den beiden genannten, das Dorf nicht nur historisch, sondern auch strukturell prägenden Teilbereichen. Dabei kann der südwestliche
als Haufenform, und der etwas größere nordöstliche als Regelhaftflächige Form eingeordnet werden. Ergänzend zu diesen flächigen, den Grundriss dominierenden Strukturen sind an den Ortsrändern kleinere und überwiegend jüngere Formen festzustellen' die klarer ausgebildet, größenmäßig aber untergeordnet sind.
Das haufenförmige Oberdorf zeigt in seiner Mitte einen größeren von Wegen umgebenen und nach Norden abgerundeten Parzellenverband, der von unterschiedlich großen, unregelmäßig und aufgelockert angeordneten Höfen sowie kleineren, verschieden ausgeformten Baublöcken umgeben ist. Dabei werden keine gegeneinander abgrenzbaren Formen, sondern eine weitgehend regellose flächige Struktur gebildet. Nach Westen schließt sich der durch seine Größe hervortretende ehemalige Gutshof in dessen Areal sich auch die Kapelle befunden hat, an die mittige Parzelleninsel an. Obwohl heute in mehrere Grundstücke aufgeteilt und umgenutzt, ist er im Luft- bzw. Kartenbild durch sein großes, parallel zum Helderbach angeordnetes Wirtschaftsgebäude gut erkennbar. Die südlich des alten Oberdorfes Iiegende kleinteilige Bebauung an der relativ steil ansteigenden Heldrunger Straße entstand offenbar zwischen der Aufnahme der Gemarkungskarte 1862 und dem Jahr 1910. Sie bildet eine separate kleine Straßenform. Das deutlich regelhafter und dichter strukturierte, in seiner Mitte fast kleinstädtisch anmutende Unterdorf zeigt ein annähernd rektanguläres Wegenetz mit mehreren unterschiedlich großen platzartigen Aufweitungen und wurde wohl erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den östlich der Kirche und damit höher als diese liegenden Bereich erweitert. Von hier schließt sich in Richtung des nordöstlich gelegenen Bahnhofes aufgelockerte, zeilen- bis reihenförmige Bebauung an, die überwiegend seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand. Außer einem durch seine Größe und Kompaktheit hervortretendes, dreiseitig von Wegen eingefassten Hof in der Mitte des Unterdorfes fällt ein nördlich von Kirche und westlich derselben gelegenem Pfarrhof situiertes, einst zum Gutsbezirk des Ortes gehörendes Grundstück mit großem Nord-Süd-orientierten Wirtschaftsgebäude auf sowie eine kleine, eher unregelmäßige bzw. ansatzweise zentrierte Hofgruppe westlich unterhalb davon. Letztere liegt etwas abseits der dichten Ortsbebauung, beiderseits des Mühlgrabens und am Ende eines sackgassenartigen Stiches. Sie bildet eine separate Kleinform, bei der es sich möglicherweise um ein älteres, in die Anlage des Dorfes integriertes Siedlungsareal handelt. Ebenfalls formal sowie auch räumlich von der Regelhaft flächigen Form getrennt ist der große, jenseits der Bahntrasse liegende Komplex der ehemaligen Mühle an der Unstrut mit der anschließenden locker straßenförmigen Bebauung am Spitteldamm. Nach den großen Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges wurde das Dorf wieder aufgebaut, bereits 1661 brannte es jedoch fast vollständig ab. Die Wohnhäuser, die großen Wirtschaftsgebäude und massive Einfriedungen bzw. Stützmauern wurden bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts überwiegend aus hammerrechtem Bruchsteinmauerwerk errichtet. Das Baumaterial, ein gelber Sandstein, konnte aus örtlichen Brüchen gewonnen werden. Die Untergeschosse waren stets massiv, im Obergeschoss fand oftmals auch Fachwerk Verwendung. Die Fassaden der größeren Wohnbauten wurden entweder verputzt oder oft auch qualitätsvoll steinsichtig ausgeführt. An einigen Beispielen, vor allem Scheunen und kleinen Wohnbauten, lässt sich auch noch der wohl einst umfangreicher verbreitete massive Lehmwellerbau nachweisen. AIs Dachform überwog das Krüppelwalmdach mit doppelter Biberschwanzdeckung. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden viele Hofanlagen erweitert oder umgebaut. Dabei fand sowohl steinsichtiges Haustein, wie auch Klinkermauerwerk Verwendung. Nach 1945 entstanden einige Neubauernhöfe, so im östlichen Teil zwischen Bahnhof und Unterdorf. Ebenfalls in diesem Bereich sowie vereinzelt auch an der Heldrunger Straße wurden seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Einfamilienhäuser errichtet. Nach 1990 erfolgte ein Ausbau der Infrastruktur.
Quellen: Gemeindearchiv Bretleben, Fehland, Monika, Geschichte der Gemeinde Bretleben bis 1945 (handschriftlich),1995. - Ebenda, Hambruch, Kathrin, Chronik der Gemeinde Bretleben (o.J.). - Ebenda, Söhle, Ramona (Bearbeitung): Chronik der Gemeinde Bretleben (o.J.). - Ebenda, Thiemar, Christine (Bearbeitung), Ortschronik Teil 1 - 3 (o J.).
Literatur: Schumann, Erster Band 1814, S. 506 f - Schumann, Vierzehnter Band 1827, S. 675 f. - Gemeindelexikon Provinz Sachsen 1909, S. 18 f.- Schlüter 1903, S. 396. - Berg 1936b. - Schmölling, A. und K. 1996. – Bornemann 2001 S. 30